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Mitlaute (Konsonanten) Lautlehre zum Osnabrücker Platt: Mitlaute (Konsonanten); Ausspracheregeln

I.4 Mitlaute (Konsonanten)

Die Aussprache der Mitlaute ist wie im hdt, mit folgenden Ausnahmen:

I.4.1 Vokalisierung des r nach Vokalen

I.4.1.1 Wann wird das r vokalisiert ?

r  wird in Silbenmitte vor Mitlauten und im Silbenauslaut vokalisiert (Niblett1,§115).

Eine äquivalente Formulierung ist offenbar: r wird nach Vokalen vokalisiert, jedoch nicht am Silbenanfang („Spiere“, „Göre“). Jedenfalls fällt mir kein Beispiel ein, in dem die beiden Formulierungen nicht äquivalent sind. Dadurch wird der vorangehende Vokal diphtongiert.

Nicht vokalisiert wird es auch in rr, wenn mit dem zweiten r eine neue Silbe beginnt und das erste r nicht Teil einer Vorsilbe (z.B. ver-, er-) ist. In diesem Fall macht rr den vorangehenden Selbstlaut kurz:

kirre, irre, Karren, Herren, Birre, ferrig, orre, Kurrel .

Diese Aussprache des r ist für das hdt. bzw. die Umgangssprache übernommen worden (Anmerkung des Autors).

I.4.1.2 Aussprache des vokalisiertem r

I.4.1.2.1 unbetontes „er“ an Silbenende und -mitte

Das vokalisierte r klingt in er in unbetonten Silben an Silbenende und in Silbenmitte wie ein kurzes, ungespanntes, unbetontes o (Lautzeichen º oder IPA ɐ), wobei das e dann nicht gesprochen wird:

Dreher=>Dre:º, Läufer=>Lɔɪ̯fº, verstecken=>fº'ʃtɛkn, Auder=>aʊ̯dº („Ader“), Austern=>aʊ̯stºn („Ostern“), awerst=>a:vºst („aber“), anfern („antworten“), he anferde („antwortete“), anners („anders“), Broer=>Bro:º („Bruder“), et duert=>du:ºt („dauert“).

I.4.1.2.2 alle anderen Fälle

In allen anderen Fällen (nicht in er, in allen betonten Silben, er in unbetonter Silbe am Silbenanfang („erraten“, „anerzogen) klingt das vokalisierte r folgendermaßen:

1.) vor Konsonant wie ein gequetschtes a (Lautzeichen ª oder IPA ɐ̯):

Wirt sprich Viªt (mittellanges i gefolgt von gequetschtem a), der vierte=>fiªte, Kirche=>Kiªχə, ährlik=>&#x025B:ªlɪk („ehrlich“), Bediärf=>Bə'diɛªf („Notdurft“), Biärg=>Biɛªg („Berg“),  Schiärn/Schärn=>ʃiɛªn/Schäªn („Schere“), erzählen=>ɛª´ʦɛ:ln, erraten=>ɛª´ra:tn (das e am Anfang ist nicht kurz), anerzogen=>´anɛªʦo:gn, Zwerg=>ʦv&#025B;ªg .

  2.) am Wortende und vor Vokal klingt es auch hier, jedenfalls nach i, u und ü, wie ein kurzes o (Lautzeichen º oder IPA ɐ):

Buur=>Bu:º („Bauer“), Uhr=>U:º, Tür=>Tʏ:º, vier=>vi:º, hier=>hi:º .

Jedoch nicht nach o oder ö, dort wieder eher wie gequetschtes a :

Tor=>Tɔª, dofor=>dɔfɔª („davor“) .

Beim ö hängt der Lautwert des r davon ab, wie offen man das ö ausspricht. Nach offenem (ungespannten) ö höre ich eher ein a : Öhr (œ:ª). Nach gesapnntem ö klingt es eher wie ein o : Öhr (ø:º). Ich persönlich spreche das ö hier eher ungespannt, offen aus.

Auch nach e-Lauten (e und ä) klingt das r am Wortende und vor Vokal offener und eher wie ein gequetsches a :

„mehr“=>mɛª, „Bär“=>Bɛª, Äärappel=>'ɛ:ªapl („Kartoffel“), Balbeer=>Bal'bɛ:ª („Barbier“), veer=>fɛª („vier“) .

Der Übergang von gequetschtem a zu kurzem, offenen o ist hier fließend. Der genaue Lautwert des vokalisierten r passt sich dem vorangehendem Vokal an.

3.) nach a macht das r das a lang und wird selber nicht gesprochen:

Bart=>Ba:t, hart=>ha:t, Ar=>A: („Ohr“) .

I.4.1.2.3 ungespannte Vokale vor r

Ungespannte Vokale werden mit weniger Spannung der Lippen ausgesprochen als gespannte Vokale. Der Mund ist bei ungespannten Vokalen offener.

Generell macht vokalisiertes r den vorangehenden Vokal länger. Dabei wird ein ursprünglich (d.h. bei hdt. Aussprache) ungespannter, kurzer Vokal halblang und bleibt dabei ungespannt (ist er schon lang, bleibt er auch lang) :

Borke=>Bɔªkə, Tor=>Tɔª, Hort=>Hɔªt, Ort=>ɔªt, Turm=>Tʊªm, Ar=>A: („Ohr“), arm=>a:m („arm“), Herr=>Hɛª, Kerze=>Kɛªʦə, hört=>hœªt, Mörder=>Mœ:ªdº, Wörter=>Vœ:ªtº, ährlik=>ɛ:ªlɪk („ehrlich“), Bediärf=>Bə'diɛªf („Notdurft“), Biärg=>Biɛªg („Berg“), Büörger=>Bʏœªgº („Bürger“; üör=ein Triphtong), Märteller=>Mɛªtɛlº („Märtyrer“).

Wenn der vorangehende Vokal (im hdt.) lang und gespannt ist, klingt er durch angehängtes vokalisiertes r ungespannt, d.h. er verliert seine Spannung und wird lang und offen :

Öhr=>œ:ª, Gehör=>Ge'hœ:ª, Moor=>Mɔ:ª, ehrlich=>ɛ:ªlɪch, sehr=>zɛ:ª .

 

 

 

 

I.4.2 Aussprache des g

I.4.2.1 g am Silbenende bei vorangehendem Selbstlaut

g am Silbenende bei vorangehendem Selbstlaut wird wie ch gesprochen :

nach e,i,ä,ö,ü und nach Diphtongen mit lautgleichem Auslaut (z.B. ei,ai,ey;eu,oi,äu) klingt das ch wie in „ich“,„sicher“ (Lautzeichen ç) :

Deeg, billig, wäg, begignen (das 2. g), riägnen, dröüg („trocken“), Neigte („Nähe“), (he) seggt („sagt“), Tüüg („Zeug“) ,

nach a,o,u und nach Diphtongen mit lautgleichem Auslaut (z.B. au) klingt das ch wie in „Dach“, „machen“ (Lautzeichen χ) :

Dag, mag, Fraag, haug („hoch“), (et)flaug („flog“), (he) froggte („fragte“), jagtern, Kroug, noog .

I.4.2.2 g am Silbenende bei vorangehendem Mitlaut

1.) nach r und l klingt das g wie ch in „ich“, „Licht“ (Lautzeichen ç) :

Eversburg, Tecklenburg, Dörenberg (alles „osnabrückisch“ ausgesprochen), Biärg, Balg 

2.) nach n macht es das n nasal (Lautzeichen ŋ). Das g klingt

- am Wortende hart wie ein k :

lang, Kring 

- vor hartem Konsonant ebenfalls hart wie ein k :

langsam (laŋksam) , Engter, er sprengte, Krängke (das g fällt aus)

- vor weichem Konsonant klingt das g grundsätzlich auch hart wie ein k :

länglich, Gefängnis ;

ist g + weicher Konsonant  jedoch durch Kontraktion aus g + unbetonter Vokal + weicher Konsonant entstanden, so stand das g ursprünglich am Silbenanfang und die Regel „g am Silbenanfang in ng und unbetonter Silbe“ zieht, d.h. das g klingt selber nicht :

englisch (aus „engelisch“ od. „angelisch“ [vom Volksstamm der Angeln]), Angler (vom Verb angeln, also aus „Angeler“) .

Man kann auch sagen, dass das g hier immernoch am Silbenanfang steht : zwei Silben sind zu einer kontrahiert worden :

-gelisch => -glisch, -geler => -gler

- vor Vokal hart wie ein k :

langarmig .

3.) nach anderen Konsonanten kingt das g hart wie ein k in „Bank“.


I.4.2.3 g in der Silbenmitte

g in der Silbenmitte spricht sich wie g am Silbenende aus :

Beispiele:

weiches ch (ç): (du) flüggs („fliegst“), (du) kriggs („kriegst“), (he) bedrögt („betrügt“)

hartes ch (χ): froggt („gefragt“), magst

weiches ch (ç): „birgt“, „würgt“ (osnabrückisch ausgesprochen), „er tilgt“

hartes k : ringsümmeto („ringsherum“), springt, dingsda

nasales n, g klingt nicht : Bengl, Stengl, sing'n (kommt nur in Kontraktionen vor).

I.4.2.4 g am Silbenanfang

I.4.2.4.1 mit n davor (ng)

 1.) mit g beginnt unbetonte Silbe : das n klingt nasal (ŋ) und das g klingt selber nicht:

Finger, Klüngel, singen, Beringung, hungrig, Angela, Inge, Ingolf .

2.) mit g beginnt betonte oder nebenbetonte Silbe : man hört nasales n + weiches g (Verschlusslaut).

Ursprünglich (vor 1900) wurde hier wahrscheinlich nicht-nasales n + Spirans (ʒ) gesprochen, möglicherweise aber auch nasales n ohne g-Laut.

In diese Kategorie fallen hauptsächlich Fremdwörter :

Mangan, Angora, Tango, fingieren; aber auch: Mangold .

3.) das alles gilt nicht, wenn das n in „ng“ Teil einer Vorsilbe ist. In diesem Fall ist das n nicht nasal, das g der Verschlusslaut (wie g am Wortanfang) :

eingelaufen, Angabe, Unglück,ingraven, Angriff .

I.4.2.4.2 ohne n davor oder nach einer Vorsilbe

In älterer Zeit (vor 1900) wurde es wie stimmhaftes j (Lautzeichen ʒ) in

Girokonto, Rage, Journal

ausgesprochen; heute wie weiches g in

gut, Wagen .

Dazu Niblett: „Bei der jüngeren Generation hört man sehr häufig den Verschlusslaut g anstelle der Spirans“ (Niblett,1913); also weiches g anstatt stimmhaftes j (ʒ). Das ist ein Einfluss des Hochdeutschen. Die ursprüngliche Sprache kennt das weiche g gar nicht: „für den fehlenden Explosivlaut g findet sich die stimmhafte Spirans ʒ“(Niblett) (also stimmhaftes j).


I.4.2.5 gg zwischen zwei Silben (mit dem zweiten g beginnt eine neue Silbe)

Es wird wie g am Silbenanfang (ohne n davor) ausgesprochen; also ursprünglich wie stimmhaftes j (ʒ) in :

Loge, Etage, Takelage .

Im 20.Jh wird es - durch den Einfluss des hdt. - durch weiches g wie in

Bagger, Egge 

ersetzt.

Man kann sagen, mit dem gg beginnt eine neue Silbe und die Verdopplung zeigt an, dass man den Vokal davor kurz spricht.

Sehr häufig steht das gg als Hyattilgung, ein Einschub zwischen zwei Selbstlauten, um zu verhindern, dass diese aufeinanderprallen, z.B. in :

Krägge („Krähe“), sniggen („schneien“), diggen („gedeihen“), riggen („reihen“), spiggen („speien“), döggen („tauen“), blöggen („blühen“), Mögge („Mühe“), Kögge („Kühe“), ströggen („streuen“), reggen („rein“), teggen („zehn“), bliggern („bleiern“), dreggen („drehen“), frigge („freie“.)

Mit dem Übergang zum hdt. Vokabular verschwindet hier die Hyattilgung bzw. wird durch nicht gesprochenes h ersetzt.

Anders bei folgenden Worten. Hier wird gg beim Übergang zum hdt. Vokabular durch weiches g oder hartes k ersetzt:

Mügge („Mücke“), Snigge („Schnecke“), seggen („sagen“), liggen („liegen“), leggen („legen“), trügge („zurück“) .

Bei Wörtern ohne hdt. Entsprechung, die in die Umgangssprache aufgenommen wurden, spricht sich gg wie weiches g in „Bagger“ aus :

Pogge („Frosch“) .

I.4.3 Aussprache des s nach Niblett (1913)

1.) s spricht sich scharf aus (stimmlos, Lautzeichen s), wie in engl. „Sale“, „Single“, „reset“, hdt. „was“, „bester“

- im Anlaut (am Silbenanfang) vor allen Mitlauten :

Stoul („Stuhl“), slaun („schlagen“) 

- im Inlaut nach kurzem Selbstlaut :

de leste („der letzte“) 

- im Inlaut nach langem Selbstlaut, wenn es altndt. sn entspricht

- vor oder hinter stimmlosen Mitlauten :

rülpsen, eest („erst“), Denst („Dienst“), gintsiets („jenseits“ [im hdt. weiches s])

- am absoluten Auslaut (Silbenende) :

gries („grau,greise“) .

2.) s spricht sich weich aus (stimmhaft, Lautzeichen z), wie in „sehen“, „Rasen“

- im Anlaut vor Selbstlauten, jedoch nicht nach stimmlosen Mitlauten :

Sapp („Saft“), Pinsel, baseln, boise („böse“)

- im Inlaut nach langem Selbstlaut vor stimmhaften Lauten :

Duusl (du:zl) (zusammengezogen; eigentl. s im Anlaut vor Vokal) („Glück“)

- im Inlaut nach kurzem Selbtslaut + n,m,l, jedoch nicht vor stimmlosen Lauten :

„Hansl“ (hanzl) (eigentl. s im Anlaut vor Vokal) .

3.) ss wird i.d.R. scharf ausgesprochen (Lautzeichen s), denn das erste s ist ein Auslaut (scharf) und macht auch das zweite s scharf.

Hierzu gibt es aber Ausnahmen mit weichem ss (Lautzeichen z) :

Massel („Glück“), Schlamassel („Unglück“), fisselig, Nisselregen, Fussel, russeln .

4.) sk, sl, sm, sn, sw : das s wird wie sch (Lautzeichen ʃ) gespr., jedoch urspruenglich (vor 1900) wie scharfes s .

5.) sch wird wie hdt. sch gesprochen (Lautzeichen ʃ), jedoch ursprgl. (vor 1900) wie s+ch (Lautschrift sχ).

6.) st, sp : das s wird wie scharfes s gesprochen.

I.4.4 Aussprache des v

Ein v wird immer wie ein f ausgesprochen.

I.4.5 Aussprache des w

1.) w nach d, t, k, s - also dw, tw, kw, sw - spricht sich bilabial aus, wie im Englischen „Swing“, „quiet“, „twinkle“, wenn es nicht über zwei Silben geht oder zu zwei verschiedenen Wortteilen gehört (also im Anlaut) :

dwaß, dwiägen, twee, miskweim=misqueim, Swien .

sw kann (in neuerer Zeit) auch wie hdt. „schw“ (Lautschrift ʃv) ausgesprochen werden.

2.) w spricht sich ansonsten labiodental aus, also wie im hdt. (Lautzeichen v)

Wende, gewesen, Wake, wat, auwens, bliwen .


Quellen :

1 A. E. Niblett (Dissertation) „Grammatik der Osnabrückischen Mundart“; erschienen 1913 bei Paal´s Druckerei, Osnabrück; gdz.sub.uni-goettingen.de/dms/load/toc/